The Holding Environment, Kapitel II
4. Juli – 1. August 2021
Eröffnung: Samstag, 3. Juli, 12–21 Uhr
Mit Tolia Astakhishvili, Morgan Bassichis, Gregg Bordowitz, Maximilian Boss, Sarah Davachi, Sara Deraedt, Jason Dodge, Martin Erhard, Annika Eriksson, Ada Frände, Michael Fullerton, Michael Kleine, John Knight, Marc Kokopeli, Pope.L, Carolyn Lazard, Veit Laurent Kurz, Rachel Reupke, James Richards, Marianna Simnett, Stephen Sutcliffe, Niklas Taleb, Co Westerik und Jiannan Wu
Kuratiert von Fatima Hellberg
Der Begriff des „holding environment“ (haltende Umwelt) – dieser Grenzbereich zwischen Fürsorge, Abhängigkeit und Halt sowie dem, was keinen angemessenen Halt bietet – wird in der Ausstellung in neu konzipierten wie existierenden Arbeiten immer wieder aufgegriffen.
Das zweite Kapitel folgt auf eine kurze Pause der Reflexion, Rekonfiguration und Reaktion auf die sich verändernden Bedingungen, in denen die Ausstellung stattfindet. Wie jeder Prozess der Instandhaltung ist ein solches Vorgehen mit einer fortlaufenden Aktivität des Beobachtens verbunden – eine Logik der Wiederholung und Wiederkehr, die auch Element der Ausstellung ist. Im Dialog und in Zusammenarbeit mit den Künstler*innen und Mitwirkenden wurden Werke und Entscheidungen überdacht, weiterentwickelt, angepasst und gelegentlich unverändert gelassen.
Die Werke in The Holding Environment betrachten Fürsorge auf eine Weise, die sowohl Zärtlichkeit zulässt wie auch den Umschlagpunkt markieren kann, an dem Fürsorge sich in etwas weitaus Infantilisierendes, Unheimlicheres oder Perverseres auflöst – der Punkt also, an dem die Authentizität der Fürsorge fraglich wird. Realisiert und entwickelt während der Pandemie, durch die sich die Spannungen zwischenmenschlicher Abhängigkeit und struktureller Fragilität noch verschärft haben, bringt die Ausstellung sowohl die Dringlichkeit und Notwendigkeit der Fürsorge zur Sprache wie auch die Zweideutigkeit guter Absichten in Zeiten des Massenindividualismus. Eine solche Reflexion entfaltet sich auf mehreren und ambivalenten Ebenen über die bloße Methode und Form hinweg – die abwechselnde Öffnung und Schließung der Institution im letzten Jahr, zum Beispiel, wird somit ebenfalls als Teil einer Logik der Responsivität, Verantwortung und einer Unvorhersehbarkeit betrachtet, die in sich selbst Bedeutung birgt.
Formal sind in dieser Ausstellung Überlegungen zu Behältnissen und Schwellen – im tatsächlichen wie metaphorischen Sinne – integraler Bestandteil der Art und Weise, wie der Raum strukturiert ist, wie er hält und sich verhält. Die Ausstellung wird also als ein Ort verstanden, der die Widersprüche verkörpern und vermitteln kann, die den psychologischen und institutionellen Raum bestimmen. Die Vorstellung der haltenden Umwelt, die zwischen physischem Raum und Metapher oszilliert, wurde erstmals von dem Psychoanalytiker und Kinderarzt Donald Winnicott in Werken wie Holding and Interpretation (1986) vorgeschlagen. In seinen Texten geht er von der Figur des Kindes aus, das er nicht nur als kleine Person unter der Vormundschaft von Erwachsenen versteht, sondern auch als subalternes Wesen ohne Selbstbestimmung und Macht, das notwendigerweise Zustände der Abhängigkeit verhandeln muss. Das Kind und der Akt des Haltens werden in Winnicotts Arbeit zu einer Möglichkeit des Verständnisses einer „Politik des Kleinen“ – eine Beziehung, die alle Dimensionen überspannt, vom intimen Raum bis zu strukturellen und institutionellen Überlegungen zur Abhängigkeit.
Eine solche Bewegung und Verschiebung zwischen dem Alltäglichen und dem Systemischen birgt stets das Risiko, die Unterschiede, die Nuancen und die Achtsamkeit aus den Augen zu verlieren – einer der Gründe, weshalb Zweifel und Ambivalenz, gepaart mit Hingabe und Empathie, für den Begriff der haltenden Umwelt umso wichtiger sind. Diese Ausstellung zielt darauf ab, in jenem Raum zu verbleiben und sich mit den Fallstricken eines korrumpierten Begriffs der Fürsorge auseinanderzusetzen, aber auch mit Möglichkeiten der Rehabilitation, der Wiederherstellung und Wiedergutmachung durch einen selbstlosen Geist des Haltens.
The Holding Environment wird durch eine Reihe von Veranstaltungen begleitet, darunter eine eigens konzipierte Performance und Komposition der Musikerin Sarah Davachi; die Publikation Divine Drudgery, herausgegeben mit James Richards und Leslie Thornton mit Beiträgen und Arbeiten von Horst Ademeit, Rae Armantrout, Tolia Astakhishvili, Ed Atkins, Kirsty Bell, Adelhyd van Bender, Bruce Conner, Fatima Hellberg, Mason Leaver-Yap, Veit Loers, Terence McCormack, James Richards und Leslie Thornton; sowie Gespräche und Veranstaltungen mit der Autorin und Dichterin Fanny Howe, dem Filmemacher, Künstler und Aktivisten Gregg Bordowitz.
u.a. Mit freundlicher Unterstützung der Kunststiftung NRW, der Stiftung Kunst der Sparkasse Bonn, der Sparkassen-Kulturstiftung Rheinland, des Generalkonsulats der Niederlande, der Stiftung Kunstfonds, Neustart Kultur und Knauber, Bonn.