Follies, Mehrfach: Gabriel Lester, Haegue Yang
23. September – 23. November 2014
Aus der Landschaftsarchitektur entliehen bezeichnet der Begriff „Follies“ ein kleines Bauwerk, eine exzentrische oder historisierende Garten-Einrichtung, die keine andere Nutzung kennt, als die Landschaft zu animieren und die Fantasie anzuregen. In der Ausstellung FOLLIES, MEHRFACH wurden zwei Künstler zusammengebracht, die sich, wie das Architekturelement, in ihren Installationen mit Formen der Theatralik und der Aktivierung des Zuschauers im Raum beschäftigen. Beide Künstler kommen immer wieder zu experimentellen Formaten, die Konventionen des Ausstellungsdispositivs in Frage stellen und das Thema der Installation, im Bezug auf Theater und Film, für sich nutzen. Mit jeweils zwei raumgreifenden Installationen präsentieren Gabriel Lester (*1972, lebt in Amsterdam) und Haegue Yang (*1971, lebt in Berlin und Seoul) im Bonner Kunstverein Arbeiten, die neben visuellen, taktilen und akustischen auch partizipative Qualitäten beinhalten. Gabriel Lester, der sich in seinen frühen Werken immer wieder mit der Inszenierung von filmischen Elementen auseinandergesetzt hat, hat für die Ausstellung eine Neuproduktion seiner Installation „How To Act“ (1999–2014) geschaffen. Die Arbeit aus einem bühnenähnlichen Einbau mit einer komplexen Lichttechnik funktioniert wie eine Art Theaterstück. Mit Hilfe von Licht dirigiert Lester unsichtbare Charaktere durch den Raum, die man sich als Zuschauer selbst vorstellen kann. Das Sezieren von Dingen, Editieren, Auffächern und eine aufgezwungenen Perspektive sind Mechanismen, die der Künstler einsetzt, um dem Betrachter einen bestimmten Aspekt einer Architektur oder eine emotionale Stimmung vorzuführen und Assoziationen zu wecken. Das starke Bedürfnis Lesters, Geschichten zu erzählen und den Betrachter mit seiner Arbeit interagieren zu lassen, findet sich auch in der neuen, für den halböffentlichen Außenraum des Kunstvereins konzipierten Installation wieder. Für die Dauer von einem Jahr wird dort eine Arbeit mit Poster-Scrollern, ähnlich einer Bushaltestelle, für jedermann zugänglich sein und die Wahrnehmung des Ortes ständig verändern. Während Lester stärker vom Filmischen ausgeht, ist Yangs Arbeit in der Skulptur verankert. Das Prozessuale, die Bewegung und Instabilität, sind zentrale Themen für sie. Ihre Arbeiten bestehen oft aus Alltagsgegenständen wie Ventilatoren, Wäschetrocknern oder Jalousien, die als bewegliche Teile in einer Installation inszeniert sind oder aber auf die Möglichkeit von Bewegung hindeuten. Im Kunstverein präsentiert Yang ihre jüngste Installation, welche sie aufgrund ihrer langjährigen Beschäftigung mit Oskar Schlemmers „Triadischem Ballett“ (1922) entworfen hat. Dem Geist seiner Zeit verbunden, hatte Schlemmer für sein Ballett Kostüme gefertigt, die die Bewegungen der Tänzer limitierten und sie mechanisch aussehen ließen. In ihrer Installation „Boxing Ballet“ finden sich fünf „Sonic Figures“, deren Gestalten auf Schlemmers Kostümen beruhen. Die Figuren stehen innerhalb einer szenischen Umgebung, aus Collagen, Bodenlinien und farbigen Wänden. Der Betrachter ist hier angehalten zwischen diesen lebensgroßen Puppen umherzugehen, sie auch selbst zu bewegen und dadurch eine eigene Komposition im Raum zu schaffen. In der anderen Hälfte der Ausstellungshalle befindet sich Yangs „VIP's Union“. Die Arbeit folgt einem Konzept, das sich in nahezu jeder Stadt wiederholen lässt und dabei jeweils so anders ausfällt, wie die Dynamik jeder Stadt einzigartig ist. Sie setzt sich aus geliehenen Tischen und Stühlen von Menschen zusammen, die mit ihrer Tätigkeit „etwas bewegen“ und in der einen oder anderen Weise zu einem gesellschaftlichen Mehrwert beitragen. Durch das Einbeziehen unterschiedlicher Tätigkeitsfelder (Wissenschaft, Sport, Wirtschaft, Politik, Soziales, ua.) mittels der Stellvertreter „Tisch“ oder „Stuhl“ verfolgt sie das Ziel, die innovativen Kräfte einzelner Bürgerinnen und Bürger der Stadt zu bestärken und diese als temporäre Gemeinschaft in der Ausstellung sichtbar zu machen. Das Interesse an partizipatorischen Modellen in der Kunst und das neuerliche Hinterfragen und Weiterdenken der Rolle des Betrachters, wie es in den 60er Jahren mit der Minimal Art und dem Begriff der „Theatricality“ (Michael Fried) seinen Anfang genommen hat, ist in den letzten Jahren in der jüngeren Kunstszene stark gewachsen. Nachdem es heute selbstverständlich ist, dass die Skulptur theatralische Aspekte angenommen hat, bietet eine jüngere Generation von Künstlern nun dem Ausstellungsbesucher zunehmend die Rolle des eigentlichen Schauspielers oder zumindest wichtigen Protagonisten an. In diesem Kontext deutet die Ausstellung FOLLIES, MEHRFACH: GABRIEL LESTER – HAEGUE YANG auf ein Werkverständnis hin, das den Betrachter in eine Position bringt, sich als aktives Subjekt wahrzunehmen, das Stellung bezieht und dabei zu einem Teil eines inszenatorischen Apparats wird.