Natalie Czech und Seb Koberstädt: Peter Mertes Stipendium 2007
26. Januar – 24. März 2008
Um die Frage nach einer Eigenschaft von Dingen und Personen und nach der Möglichkeit einer Beschreibung kreist die Fragestellung der Ausstellung von Natalie Czech mit dem Titel without words would im Bonner Kunstverein. Kaskadenformig fügen sich die Buchseiten des unvollendeten Hauptwerkes von Robert Musil Mann ohne Eigenschaften (1930 – 1942) zu einer raumfüllenden Installation zusammen. Betrachtet man die Seiten näher, merkt man, daß die Adjektive in den Sätzen fehlen. Zahlreiche Bekannte haben diese auf Wunsch der Künstlerin auf den Seiten durchgestrichen. Das Paradoxe dabei: Das Entfernen der Adjektive bringt die größtmögliche Freiheit bei der Zuschreibung von Eigenschaften hervor: je mehr Auslassung, desto mehr Projektion. Czech verfolgt die Negation als eine konstruktive Grösse: Auch der Ausstellungstitel without words would spricht mit dem ersten Wort schon das Fehlen als solches an und lässt syntaktisch einige Worte vermissen. Es bleibt dem Leser und Ausstellungsbesucher vorbehalten, die von der Künstlerin eingeführten Lücken zu füllen. Czech hat es sich zur Aufgabe gemacht, Nicht-Sichtbares sichtbar zu machen. In zahlreichen Kunstdepots von Museen und Galerien deponierte Czech lichtempfindliches Papier. Der sich absetzende Staub wurde, fixiert und entwickelt, zum Zeugen verstreichender Zeit und einer in einem Moment fixierten Teilchenzirkulation, die nie gänzlich ruht. Die ehemalige Meisterschülerin von Thomas Ruff bediente sich hier eines Verfahrens, die dem nach Man Ray benannten Erfindung der Rayografie sehr nahe kommt. Die Bildlichkeit entsteht durch die Spuren, die ein Lichteinfall auf fotoempfindlichem Papier hinterlässt, ein physikalischer Prozess dessen sich ein Betrachter im Zeitalter der Digitalfotografie kaum noch gewahr wird. Ausgestellt werden Bilder, die aus 25 Papierflächen zusammengesetzt sind, auf denen sich abgelagerter Staub als weisse Flusen auf schwarzem Grund abbildet. Die Reihenfolge der montierten Bilder folgt der Zeitdauer, der der einzelne Diarahmen dem Staubfangen ausgesetzt war. Die feinen Schattierungen im nun fast monochromen Bild zeichnen unterschiedliche Zeitverläufe aus. Es handelt sich um die Zeit, in der zahlreiche Kunstwerke ihr Dasein im Kunstdepot fristen. Die Ablagerung von Staub vermittelt zeichenhaft nicht nur Zeit, sondern auch die Präsenz von Kunstwerken, die einst für eine Öffentlichkeit bestimmt und angekauft wurden und heute aus unterschiedlichen Gründen in Vergessenheit manövriert werden. Rein nichts bildet sich dem Ausstellungsbesucher von ihrer Existenz ab – mit Ausnahme der Staubbild-Collagen von Czech.
Bei Seb Koberstädt steht die Skulptur im Zentrum. Für seine Abschlussausstellung des Peter Mertes Stipendiums mit dem Titel Filzlaus entwirft Seb Koberstädt zwei skulpturale Eingriffe, in der sowohl persönliche Themen, als auch Themen der Sub- und Hochkultur und der Architektu zum Tragen kommen. Der ehemalige Schüler von Tony Cragg und Hubert Kiecol macht sich An– und Einbauten in seiner Umgebung zu eigen, indem er sie auf eine zufällig gewählte funktionale und ästhetische Gültigkeit und Tauglichkeit hin mit bisweilen subversiven Mitteln überprüft. Scheinbar unvereinbare Gegenstände, Werkstoffe und Fundstücke werden dabei in einem präzisen Arbeitsprozess aneinandergefügt und zu einem Objekt oder einer Konstruktion von merkwürdig fragiler Schönheit zusammengeschmolzen. Zwei Hirschgeweihenden werden so beispielsweise zu einem überdimensionalen Kerzenständer dessen Funktionalität jedoch zweitranging erscheint. Neben der Konstruktion ist vor allem auch die Dekonstruktioon und Neuzusammensetzen eine künstlerische Strategie, derer sich Koberstädt in unterschiedlicher Weise bedient. Oft sind dabei Plakate, hergestellt aus lackierten Fotodrucken, der Ausgangspunkt. In einer raumfüllenden Installation im Bonner Kunstverein wendet er diese Strategie in doppelter Weise an. Eine zuvor von ihm konstruierte eckige Form aus schwarz-weißen Flächen dient ihm in einem fotografischen Selbstportrait als eine Art Ganzkörperpanzer, aus dem nur noch die Füße herausstehen. Das so entstandene Selbstportrait wird als Plakat von Koberstädt weiterverabeitet, indem er es in einer festgelegten Weise entlang der Kantenstruktur des Panzers auseinandergetrennt, die so enstandenen Fragmente mit Pigment und Lack beareitet und wieder zusammengefügt. Die zusammengefügten Plakate werden wiederum zu einer riesiegen Architektur, einem Dach, einer Fassade oder einer Plane zusammengesetzt, deren mögliche Funktion erst nach der eigentlichen Installation in den Ausstellungsraum erkennbar werden kann.