Marte Eknæs, Jonas Gerhard, Max Schulze: Fotografie Malerei Skulptur
13. April – 13. Juni 2010
Insert ist der Titel, den Marte Eknæs (*1978 in Elverum, Norwegen) für ihre erste institutionelle Einzelausstellung in Deutschland gewählt hat. Wie eingefügt scheint auch der Ort ihrer Ausstellung: der Einbau in der Haupthalle des Bonner Kunstvereins, der seit dem Umbau 2006/2007 fester Bestandteil der Ausstellungsarchitektur ist. Eknæs interpretiert diese „Box“ wie ein Gehäuse, in das sie ihre Arbeiten implementiert. Durch das Einfügen ihrer Schau in den Bonner Kunstverein und ein im weiteren Sinne soziales und architektonisches Bezugssystem beleuchtet sie - paradoxerweise - das Externe. Es ist Eknæs´ zentrales Interesse, mit ihren Arbeiten zu untersuchen, wie der städtische Raum, in dem wir leben, konstruiert ist, und wie wir diesen wahrnehmen und erfahren. Wie zum Beispiel suggerieren öffentliche und unternehmerische Gebäude (etwa der Bonner Post Tower oder das Stadthaus) potentielle Einschreibungen von Repräsentanz, Ideologie und Hierarchie oder Nicht-Hierarchie innerhalb unseres sozialen Systems? Welche Versprechungen von Funktionalität und Integrität implizieren Materialien, Oberflächen und spezifische Konstruktionen, und wann sabotieren sie unsere Wahrnehmung, verführen uns, an Bilder und Konzepte zu glauben, die sie vermeintlich transportieren? Sich vorgefertigter und industriell hergestellter Materialien bedienend, verdichtet Eknæs Referenzen aus dem urbanen Umfeld zu einer konzentrierten Sprache von Form und kritischer Hinterfragung. Was bleibt sind autonome Skulpturen und Zeichnungen, die sich gänzlich von den Quellen ihrer Untersuchung zu lösen vermögen. Marte Eknæs studierte am Environmental Art Department an der Glasgow School of Arts, dem California Institute of the Arts in Los Angeles und am Central Saint Martins College of Art and Design in London. Jüngste Ausstellungen und Projekte umfassen die Teilnahme an der Momentum, 5th Nordic Biennial of Contemporary Art in Moss, Norwegen, sowie die Einzelausstellung „Fountain“ in der Galerie Circus, Berlin. Während der Ausstellungslaufzeit erscheint ein Katalog.
Am 1. Februar dieses Jahres schloss Jonas Gerhard (*1980 in Soest) an der Kunstakademie Düsseldorf sein Studium der Fotografie bei Thomas Ruff und Christopher Williams ab. Im Rahmen des Peter Mertes Stipendiums, das sich an den künstlerischen Nachwuchs aus dem Rheinland richtet, erhält der 29-Jährige erstmals die Gelegenheit, seine Arbeit in einer institutionellen Einzelausstellung zu zeigen. Gerhard hat sich in seiner Arbeit dem Forschen nach formalen und ästhetischen Phänomenen in der Dingwelt verschrieben. Im Zentrum seines Interesses steht dabei das Erfassen des Sichtbaren hinsichtlich formaler Ordnungen. Einer chemischen Analyse gleich, filtert und ordnet Gerhard einzelne Ingredienzen der wahrnehmbaren Bildwelt heraus und stellt die so veränderte Bildkonsistenz erneut zur Diskussion. Die Annäherung an ein Motiv kann dabei auf ganz unterschiedliche Weise stattfinden: Während einige Aufnahmen aus einer Situation heraus intuitiv passieren (Paradise, 2009), sucht Gerhard vor allem in den neueren Arbeiten (z.B. Papierkorb #1 (schwarz), Moka Express #1 (gebraucht)) nach einer geeigneten Strategie, um einen Bestandteil der visuellen Realität in fotografisches Material zu extrahieren. Unter Anwendung digitaltechnischer Verfahren, wie zum Beispiel der Ausschnittvergrößerung, Invertierung oder Ausblendung, aber auch digitaler Handwerkszeuge gängiger Bildbearbeitungsprogramme, gelingt es Jonas Gerhard, auch bereits existierenden Aufnahmen Informationen zu entlocken, die vor seinem Verfahren verdeckt oder dominiert wurden. Gerhard paart rationales Vorgehen mit experimentellem Entdeckergeist. Und ohne das eigentliche Vorgehen dezidiert preiszugeben, lässt er den Betrachter den Moment der Überraschung und er unerwarteten Entdeckung in seinen Arbeiten miterleben. Zur Ausstellung erscheint ein Katalog.
Unmarked State bezeichnet nach Niklas Luhmann die Grenze jeder Beobachtung im Sinne eines blickbegrenzenden Horizontes, der mit jedem Schritt zurückweicht und niemals erreicht werden kann. Max Schulze (*1977 in Herdecke), im Bonner Kunstverein erstmals institutionell ausgestellt, arbeitet in seinen Collagen, Zeichnungen und Gemälden an den Grenzen malerischer Konzepte, in denen er sowohl Prozesse der Bildentstehung als auch Wahrnehmungsdirektionen untersucht: Wie entwickelt sich eine Bildlösung, und welche Entscheidungsprozesse liegen ihr zu Grunde? Was führt dazu, dass wir Erscheinungen als erkennbar oder wahrnehmbar erklären? Max Schulze arbeitet sich an diesen Fragen in einer wahren Flut von Bildern ab. Zum enormen Form- und Materialvokabular gehören Splitter, Fetzen und Flecken aus Hoch- und Trivialkultur, geklebt, projiziert und abgemalt. Zufall und lapidare Vorgehensweisen, Dynamik und Lautheit scheinen im Vordergrund zu stehen, doch gleichzeitig setzt Max Schulze versonnen dakribisch feine Ummalungen, als wolle er die zufällig entstandenen Formen nachahmen, festhalten, rahmen. Schulzes Bildentstehungsprozess folgt einem dialogischen Prinzip: Wo eine Lücke klafft, er die Leinwand aufbricht, entsteht gleichzeitig eine Form. So lässt der Künstler dem Betrachter in stets andersartigen Bildern die Frage nach einer gültigen Auffassung dessen, was Kunstschaffen ausmacht, förmlich um die Ohren fliegen. Max Schulze schloss 2005 sein Studium der freien Kunst als Meisterschüler bei Prof. Jörg Immendorf an der Kunstakademie Düsseldorf ab. Er war 2009 Stipendiat auf Schloss Ringenberg, 2007-09 Lehrbeauftragter an der Düsseldorfer Kunstakademie. Er ist Mitherausgeber des Magazins „schwarz-weiß“.