Timur Si-Qin: Basin of Attraction
10. September – 10. November 2013
“Skulptur ist, wo man hineinstolpert, wenn man ein paar Schritte zurück tritt, um sich ein Bild anzuschauen”, sagte Barnett Newmann 1979 in einem Interview. Obgleich diese provokante Aussage Skulptur als nebensächlich erscheinen lässt, betont sie, dass das Medium grundlegend mit einer körperlichen Erfahrung verbunden ist. Timur Si-Qin (*1984, lebt und arbeitet in Berlin) thematisiert in seiner Arbeit diese Eigenschaft, dennoch geht er sie neu an: Ausgehend von wissenschaftlichen Theorien erzeugt er mit seinem Projekt für den Bonner Kunstverein ein ambivalentes Echo zwischen Körper und Werk.
Si-Qin wuchs in Deutschland, Amerika und China auf, studierte bildende Kunst an der University of Arizona, und kam vor ein paar Jahren zurück nach Berlin. Seine Werke wurden u.a. schon in Los Angeles, Mailand, Paris und Berlin gezeigt. In seiner ersten institutionellen Einzelausstellung in Deutschland spielen 3D-Drucke eine zentrale Rolle. Aus paleolithischen Hominidenfossilien eines bestimmen Individuums, die der naturhistorischen Sammlung eines südafrikanischen Museums gehören, wurden 3D-Scans gemacht, welche der Künstler dann als Objekte drucken lies. Deren Oberflächen weisen kosmische Nebelflecken, Jagdcamouflagemuster oder Bilder aus Werbeprospekten auf. Si-Qins Art, diese Muster zu verwenden, lässt verschiedene Ebenen aufeinandertreffen: das Ornament als Urgeste mit einer zeitgenössischer Bildsprache, die zeitliche Dimension der Sterne auf diejenige der Knochen und das ursprüngliche Jagen auf den Gang in den Supermarkt. Diese Objekte, zugleich originale Skulpturen und ornamentierte Knochenreplika, lösen Fragen zur Tradition und zum Link zwischen Heute und Gestern aus. Die Knochenarrangements liegen in unmittelbarer Nähe zu leichten Strukturen aus PVC und Aluminium, die üblicherweise für Messestände eingesetzt werden. Sie sind mit banalen Bildern aus der Werbewelt flächendeckend bedruckt. Deren Auswahl resultiert aus der Reflexion des Künstlers über die instinktiven Urreaktionen des Menschen auf visuelle Stimuli und Anziehungsmechanismen, die durch Überlebensstrategien trainiert wurden und uns weiterhin bedingen.
Si-Qin interessiert grundsätzlich, die übliche Trennung zwischen Kultur und Natur neu zu denken. Er bezieht sich dabei auf philosophische Ansätze, die mit der Evolutionstheorie verbunden sind und abstrakte Begriffe wie Geschmack oder Begierde aus der Sicht der Biologie und der Neurowissenschaften betrachten. In seiner Ausstellung bezieht der Künstler visuelle Elemente aus der zeitgenössischen Kultur ein. Jedoch bringt er deren Verbindung mit biologisch-bedingten Urphänomenen der Anziehung und Befriedigung zum Vorschein und weist somit auf die Zeitlosigkeit gewisser Bildelemente. Si-Qin spricht in seiner Ausstellung eine Zeit an, die uns biologisch immer noch bedingt, an die wir aber keine bewusste Erinnerung haben.